Algorithmische Feeds: Zwingt die EU Meta zum Umdenken?

Veröffentlicht am 7. Oktober 2025
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Alarmstufe Rot bei Meta: Was das Urteil über algorithmische Feeds für deine Social-Media-Strategie bedeutet!

Eine Nachricht aus den Niederlanden könnte weitreichende Folgen haben: Ein Gerichtsurteil zwingt Meta, leicht zugängliche, nicht-algorithmische Feed-Optionen anzubieten. Es schien zuerst wie ein kleiner Fall von bürokratischer EU-Regulierung. Doch nun rückt die Dominanz der algorithmischen Feeds verstärkt in den Fokus der Regulierungsbehörden.

Das niederländische Gericht entschied am vergangenen Donnerstag, dass Meta seinen Nutzern auf Facebook und Instagram alternative Ansichten bereitstellen muss, die nicht der primäre Algorithmus definiert. Dieses Urteil entspricht den Vorgaben des europäischen Digital Services Act (DSA). Das Gesetz soll im digitalen Raum für mehr Transparenz und Nutzerkontrolle sorgen.

 

Die Forderungen des Digital Services Act (DSA) an Empfehlungssysteme

 

Die Organisation für digitale Rechte, „Bits of Freedom“, reichte die Klage ein. Sie argumentiert, Meta verstoße gegen Artikel 27 des DSA. Dieser Artikel besagt vereinfacht:

Anbieter von Online-Plattformen, die sogenannte Empfehlungssysteme (oder englisch: Recommender Systems) verwenden, müssen ihre Hauptparameter klar und verständlich darlegen. Wichtiger noch: Die Nutzer müssen diese Parameter jederzeit ändern oder beeinflussen können. Gibt es mehrere Optionen für Empfehlungssysteme, muss die Plattform eine Funktion bereitstellen, mit der Nutzer ihre bevorzugte Option jederzeit auswählen und ändern.

Große soziale Plattformen wie Meta müssen also Transparenz über die Funktionsweise ihrer algorithmischen Verstärkung (algorithmic amplification) schaffen. Sie müssen ihren Nutzern erlauben, die App-Erfahrung anzupassen.

Zusätzlich verlangt ein spezifischer Punkt im DSA, dass die Funktion zur Auswahl und Änderung der Feeds „direkt und leicht zugänglich“ vom Priorisierungsbereich der Informationen sein muss. Die Option zur Darstellung des Feeds muss also direkt im Feed selbst zu finden sein.

 

Der Kampf um den Standard-Feed: Warum Algorithmische Feeds Metas Geschäftsmodell sind

 

Meta bietet zwar die Möglichkeit, eine chronologische Timeline in beiden Apps auszuwählen. Das Unternehmen führte diese Option 2022 als Reaktion auf Bedenken zur Nutzerwahl ein.

Das Problem bleibt: Nutzer können diese chronologische Ansicht nicht als Standard festlegen. Beim erneuten Öffnen der App schaltet sie automatisch auf den algorithmischen Feed zurück. Meta weiß, dass die meisten Menschen diese Einstellung nicht jedes Mal erneut ändern.

„Bits of Freedom“ kritisiert genau diesen Punkt. Sie führen aus, dass Meta ein klares Interesse daran hat, Nutzer in den Feed zu lenken, in dem Werbeanzeigen basierend auf Interessen und Verhalten ausgespielt werden können. Dies bildet das Fundament von Metas Geschäftsmodell. Subtile Designtechniken drängen Nutzer in diesen Feed. Die nicht-profilierte Alternative versteckt Meta und Nutzer verlieren dort oft den direkten Zugang zu anderen Funktionen. Das erhöht die Hürde zusätzlich.

Falls das Urteil Bestand hat – Meta hat Berufung eingelegt – muss der Konzern Nutzern das vollständige Abwählen der algorithmischen Feeds ermöglichen. Er muss die chronologische Ansicht als Standard setzen.

 

Die Argumente von Meta: Weniger Engagement ohne Algorithmische Feeds?

 

Meta sieht in der erzwungenen Abkehr vom Algorithmus keinen Vorteil – weder für das Unternehmen noch für die Nutzererfahrung. Adam Mosseri, Chef von Instagram, erklärte bereits Ende letzten Jahres, dass nicht-algorithmische Feeds seiner Meinung nach nicht mehr funktionieren.

Interne Tests zeigten, dass eine kleine Gruppe von Nutzern zwar zufrieden ist, aber insgesamt die App-Nutzung bei Nutzern im nicht-algorithmischen Feed sinkt. Auch die Nutzerzufriedenheit nimmt mit der Zeit ab. Folglich kommentieren, liken und teilen diese Nutzer weniger. Das löst einen zweiten Ordnungseffekt aus, der das gesamte Nutzererlebnis negativ beeinflusst.

Aus Metas Sicht sind algorithmisch definierte Feeds einfach besser: Sie maximieren das Engagement, halten Nutzer länger in den Apps und sammeln wertvolle Interaktionssignale. Der Fokus auf Algorithmische Feeds dient sowohl dem Business als auch der Nutzerzufriedenheit.

 

Die Verbindung zwischen Algorithmen und gesellschaftlicher Spaltung

 

Kritiker halten dagegen: Algorithmische Feeds treiben Angst, Wut und Spaltung voran. Der Algorithmus verfolgt das Hauptziel, Engagement um jeden Preis zu maximieren. Die stärksten emotionalen Auslöser sind Furcht, Wut und Freude. Die algorithmische Verstärkung priorisiert so Inhalte, die starke, oft negative, Emotionen auslösen, weil diese am stärksten zur Interaktion anregen.

Frances Haugen, eine ehemalige Facebook-Mitarbeiterin und Whistleblowerin, brachte diesen Punkt maßgeblich vor. Sie stieß diverse regulatorische Untersuchungen gegen das Unternehmen an.

Haugen argumentierte, das Ende des Engagement-basierten Rankings würde Spaltung reduzieren. Weniger „Rage-Baiting“-Beiträge (Inhalte, die gezielt Wut provozieren) würden ausgespielt. Das würde auch den Anreiz für Content-Ersteller senken, solche Inhalte zu produzieren. Das gesamte Nachrichten-Ökosystem könnte sich so hin zu einer ausgewogeneren Berichterstattung verändern.

Es ist unwahrscheinlich, dass dies die Motivation hinter solchen Inhalten vollständig beseitigt. Es könnte aber die Verstärkung (amplification) dieser Inhalte deutlich reduzieren. Die Einnahmen der Social-Media-Apps würden jedoch unweigerlich beeinträchtigt, da die Nutzung, wie Mosseri bemerkte, wahrscheinlich zurückgeht. Das Ende der Voreinstellung auf Algorithmische Feeds ist für Meta ein Horror-Szenario.

Ob sich dies letztlich als wertvoller für die Gesellschaft erweist, könnte bald klar werden. Sollte das Urteil in den Niederlanden bestätigt werden, stünde uns möglicherweise das erste groß angelegte Experiment zur Wirkung eines solchen Defaults bevor. Meta wird sich dafür aber sicher nicht freiwillig melden.

Das Gericht hat Meta eine Frist von zwei Wochen gesetzt, um Nutzern eine „direkte und einfache“ Möglichkeit zum Opt-out aus einem Feed mit empfohlenen Inhalten zu bieten. Meta legte Berufung ein. Die Entwicklung der Regulierung und der Algorithmische Feeds bleibt spannend.